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Praxis zu Art. 26 Abs. 2 UEV

Anforderungen an die Unabhängigkeit der Prüfstelle

Art. 10 VwVG betreffend Ausstand im Grundsatz anwendbar

Art. 10 VwVG bestimmt, dass Personen, die Entscheidungen über Rechte und Pflichten zu treffen oder vorzubereiten haben, in den Ausstand treten müssen, wenn sie in der Sache ein persönliches Interesse haben oder aus anderen Gründen in der Sache befangen sein könnten. Dies gilt im Grundsatz auch für die Prüfstelle in einem Übernahmeverfahren.

Analoge Anwendung der Unabhängigkeitskriterien für Wirtschaftsprüfer auf Prüfstellen

Erfordernis der Unabhängigkeit in tatsächlicher Hinsicht (innere Unabhängigkeit)

Die Prüfstelle muss über tatsächliche Freiheit in der Urteilsbildung verfügen, d.h. fähig sein, frei und unbeeinflusst zu handeln und ihr Urteil unparteiisch und ausschliesslich von sachlichen Gesichtspunkten geleitet zu bilden.

Erfordernis der Unabhängigkeit dem Anschein nach (äussere Unabhängigkeit)

Die Prüfstelle muss auch gegen aussen als unabhängig erscheinen. Ein Beratungsmandat in Bezug auf die gleiche Transaktion für die Anbieterin bzw. für eine mit dieser in gemeinsamer Absprache handelnde Person oder die Verfassung der Fairness Opinion für die Zielgesellschaft sind mit diesen Anforderungen nicht vereinbar.

Unabhängigkeit der Prüfstelle nicht von vorneherein durch jegliche Kontakte zwischen Anbieter und Prüfstelle gefährdet

Sämtliche im Zusammenhang mit der Auswahl, Mandatierung und Entlohnung einer Prüfstelle notwendigerweise einhergehenden Kontakte zwischen dem Anbieter und der Prüfstelle schaden der Unabhängigkeit der Prüfstelle von vorneherein nicht. Dies betrifft insbesondere die Instruktion über das Prüfstellenmandat und die Honorarzahlung durch den Anbieter. Spezifische Auflagen der UEK im Einzelfall, die in ein teilweises Kontaktverbot münden, mögen in einer konkreten Situation zweckmässig sein, stellen aber keinen relevanten Massstab für die Frage der Befangenheit einer Prüfstelle dar.

Entscheid ergangen vor Inkrafttreten der neuen Finanzmarktinfrastrukturgesetzgebung am 1. Januar 2016Urteil BVGer B-253/2012 vom 8. März 2012 in Sachen Quadrant AG, Erw. 4.4

(mit Bezug auf die UEK-Verfügung 410/04 vom 14. November 2011 in Sachen Quadrant AG, in welcher die UEK aufgrund der spezifischen Verfahrensgeschichte ausnahmsweise ein strenges Kontaktverbot aller Parteien mit der Prüfstelle verfügte)

Honorierung der Prüfstelle im Hinblick auf Unabhängigkeit

Honorargrenze für Revisionsstellen hinsichtlich Unabhängigkeit der Prüfstelle nicht anwendbar

Die Unabhängigkeitsvorschriften von Art. 9 Abs. 1 FINMA-PV i.V.m. Art. 11 Abs. 1 Bst. a RAG, wonach die jährlichen Honorare einer Revisionsstelle aus Revisions- und anderen  Dienstleistungen für eine einzelne Gesellschaft und die mit ihr durch einheitliche Leitung verbundenen Gesellschaften 10 Prozent ihrer gesamten Honorarsumme nicht übersteigen dürfen, sind auf die Unabhängigkeit einer Prüfstelle in einem Übernahmeverfahren nicht anwendbar.

Honorierung nach Aufwand empfehlenswert

Eine Entschädigung nach Aufwand ist insbesondere bei schwer abzuschätzendem Prüfungsaufwand und/oder besonders schwierigen Fragestellungen geboten. Auch in Normalfällen bieten jedoch andere Formen der Entschädigung, wie insbesondere ein Pauschalhonorar, keine ausreichende Gewähr für eine unabhängige Mandatserledigung. Sie bergen die Gefahr in sich, dass sich Art und Umfang der Prüfungshandlungen an der Pauschale orientiert. Vorschriften für vergleichbare Tätigkeiten, wie beispielsweise die Standes- und Berufsregeln der Treuhandkammer fordern ebenfalls grundsätzlich Honorare nach Zeitaufwand und lassen Pauschal- oder Festhonorare nur unter einschränkenden Voraussetzungen zu.

Offenlegungspflichten der Prüfstelle gegenüber der UEK

Die Prüfstelle hat der UEK gemäss UEK-Rundschreiben Nr. 3, Rz. 7ff. die Art und den Umfang der für die Anbieterin erbrachten oder noch zu erbringenden Dienstleistungen offen zu legen und ihr alle sonstigen Umstände, die für die Beurteilung der Unabhängigkeit massgebend sind, bekanntzugeben. Ferner muss die Prüfstelle der UEK sämtliche weiteren Angaben machen, welche für die Beurteilung der Unabhängigkeit wesentlich sind, insbesondere sonstige wesentliche Geschäftsbeziehungen.

Überprüfung der Unabhängigkeit der Prüfstelle

Summarische Überprüfung der Unabhängigkeit durch Sekretariat bei Mandatsannahme

Die Unabhängigkeit der Prüfstelle wird bei Mandatsannahme aufgrund einer summarischen Prüfung durch das Sekretariat der UEK beurteilt (vgl. Rz. 11 des UEK-Rundschreibens Nr. 3: Prüfung von öffentlichen Kaufangeboten vom 25. Juni 2010). Diese Beurteilung ist aber als Sekretariatsauskunft für die UEK nicht bindend (vgl. Art. 55 Abs. 5 UEV).

Verbindliche Überprüfung der Unabhängigkeit durch die UEK grundsätzlich in Entscheid zum Angebot, ausnahmsweise in Teilentscheid

Üblicherweise wird über die Eignung (inklusive Unabhängigkeit) einer Prüfstelle (erst) im Rahmen des Entscheides zum Angebot verbindlich entschieden. Im Einzelfall kann die UEK im Interesse der Verfahrensökonomie und zur Vereinfachung des weiteren Verfahrens (vgl. Art. 63 Abs. 1 UEV) zur Frage der Eignung und Unabhängigkeit einer Prüfstellenkandidatin einen selbständigen Teilentscheid erlassen.

Entscheid ergangen vor Inkrafttreten der neuen Finanzmarktinfrastrukturgesetzgebung am 1. Januar 2016Verfügung 410/03 vom 5. Juli 2011 in Sachen Quadrant AG, Erw. 2.1, Rz. 6-7

(in casu Teilentscheid gestützt auf den Umstand, dass bereits vor Mandatierung der Prüfstelle diverse Einwände gegen die Mandatierung vorgebracht wurden)

Einwendung der fehlenden Unabhängigkeit einer Prüfstelle gilt als Ausstandsbegehren

Im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Prüfstelle sind die bereits vor der UEK erhobenen Einwendungen, wonach eine Prüfstelle die Unabhängigkeitsvorschriften nicht erfüllt, als Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 45 VwVG zu qualifizieren. Diesbezügliche Verfügungen der UEK sind demzufolge selbständige Zwischenentscheide, welche nur unter bestimmten Voraussetzungen selbständig anfechtbar sind (vgl. Art. 45 Abs.1 VwVG und Art. 46 Abs. 1 VwVG).