UEK-Rundschreiben Nr. 1: Rückkaufprogramme
vom 27. Juni 2013 (Stand am 1. Januar 2016*)
Angebote zum Kauf eigener, börsenkotierter Beteiligungspapiere (Beteiligungspapiere) durch eine Emittentin (Anbieter) zum Fixpreis, die sich öffentlich an die Inhaber dieser Beteiligungspapiere richten, sind öffentliche Kaufangebote im Sinne von Art. 2 lit. i des Bundesgesetzes über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (FinfraG). Dasselbe gilt für öffentliche Rückkaufprogramme zum Marktpreis oder durch die Ausgabe von Put-Optionen durch eine Emittentin. Diese Transaktionen (gemeinsam: Rückkaufprogramme) unterstehen den Bestimmungen des 4. Kapitels des FinfraG, der Verordnung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht über die Finanzmarktinfrastrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (FinfraV-FINMA) und der Verordnung der Übernahmekommission über öffentliche Kaufangebote (UEV).
Am 1. Januar 2016 tritt die Verordnung über die Finanzmarktstrukturen und das Marktverhalten im Effekten- und Derivatehandel (FinfraV) in Kraft. Diese Verordnung enthält Vorschriften, die marktmissbräuchliches Verhalten bekämpfen. Art. 120 bis 122 FinfraV legen für Rückkaufprogramme fest, welche Verhaltensweisen zulässig sind und weder Insiderhandel (i.S.v. Art. 142 FinfraG) noch Marktmanipulation (i.S.v. Art. 143 FinfraG) darstellen.
Die Übernahmekommission ist für die Auslegung und Anwendung der Artikel 125 bis 141 FinfraG zuständig. Die Einhaltung der Vorschriften zum Marktmissbrauch wird hingegen nicht durch die Übernahmekommission, sondern durch die FINMA überwacht.
Gestützt auf Art. 4 Abs. 2 UEV regelt dieses Rundschreiben die Voraussetzungen und Auflagen, denen Rückkaufprogramme entsprechen müssen, damit sie von der Anwendung der ordentlichen Bestimmungen des Übernahmerechts freigestellt sind.
Das Meldeverfahren (Kap. 6.1) ist anwendbar auf Rückkaufprogramme, welche die Voraussetzungen und Auflagen gemäss den Kapiteln 1-4* dieses Rundschreibens vollständig erfüllen. In den übrigen Fällen erlässt die Übernahmekommission eine Verfügung (Kap. 6.2).
Wird ein Rückkaufprogramm im Meldeverfahren freigestellt, so ersetzt dieses Rundschreiben die ordentlichen Bestimmungen des Übernahmerechts. Erlässt die Kommission hingegen eine Verfügung, so kann sie auf Voraussetzungen und Auflagen dieses Rundschreibens verzichten und das Rückkaufprogramm ganz oder teilweise den ordentlichen Bestimmungen des Übernahmerechts unterstellen. Bewilligt die Übernahmekommission Ausnahmen von den Rn 11 (gesamtes Volumen der Rückkäufe) oder 23 (tägliches Volumen der Rückkäufe), so gelten diese auch für die Anwendung der Bestimmungen zum Verbot des Insiderhandels und des Marktmissbrauchs (vgl. Art 120 Abs. 3 FinfraV).
Die Freistellung eines Rückkaufprogramms von der Einhaltung gewisser Bestimmungen zum Übernahmerecht befreit den Anbieter nicht davon, die Vorschriften des Obligationenrechts einzuhalten, wofür der Verwaltungsrat des Anbieters verantwortlich bleibt. Die Übernahmekommission prüft die Einhaltung von Art. 659 OR grundsätzlich nicht.
1. Gemeinsame Voraussetzungen für alle Rückkaufprogramme
Der oder die Zwecke des Rückkaufprogramms sind präzise und vollständig zu formulieren.
Das Rückkaufprogramm erstreckt sich auf alle Kategorien von kotierten Beteiligungspapieren des Anbieters.
Die Vernichtung von zurückgekauften Beteiligungspapieren darf nicht zu einer erheblichen Änderung der Kontrollverhältnisse über den Anbieter führen, insbesondere durch eine Überschreitung der Grenzwerte von 33 1/3 oder 50 Prozent der Stimmrechte. Eine allenfalls geplante Vernichtung bereits gehaltener Beteiligungspapieren ist dabei ebenfalls zu berücksichtigen.
Das Volumen der Rückkäufe übersteigt gesamthaft weder 10 Prozent des Kapitals und der Stimmrechte noch 20 Prozent des frei handelbaren Anteils der Beteiligungspapiere.
Nicht zum frei handelbaren Anteil gehören: Direkt, indirekt oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten gehaltene, Beteiligungen von mehr als 5 Prozent, berechnet am Tag der Einreichung des Gesuchs. Der frei handelbare Anteil ist für jede Kategorie von Beteiligungspapieren separat zu berechnen, auf die sich das Rückkaufprogramm erstreckt.
Die Durchführung des Rückkaufprogramms führt nicht dazu, dass Mindestschwellen unterschritten werden, welche Kotierungsvoraussetzung gemäss den Bestimmungen der Börse sind, an welcher die Beteiligungspapiere kotiert sind.
2. Gemeinsame Auflagen für alle Rückkaufprogramme
Die Preise, die für verschiedene Kategorien von Beteiligungspapieren angeboten werden, müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.
Der Anbieter darf ausserhalb des Rückkaufprogramms für den (oder die) angekündigten gleichen Zweck(e) keine Beteiligungspapiere, auf die sich das Rückkaufprogramm bezieht, ausserhalb desselben kaufen.
3. Angebote zum Festpreis und Rückkaufprogramme durch die Ausgabe von Put-Optionen
3.1 Zusätzliche Voraussetzungen
Das Angebot darf nicht an Bedingungen geknüpft sein.
Das Angebot muss mindestens zehn Börsentage dauern.
3.2. Zusätzliche Auflagen
Falls der Anbieter nicht alle Annahmeerklärungen erfüllen kann, muss er sie anteilsmässig berücksichtigen.
Falls der Anbieter während der Dauer des Rückkaufprogramms Beteiligungspapiere zu einem über dem Angebotspreis liegenden Preis erwirbt, muss er diesen Preis allen Angebotsempfängern bieten.
Spätestens am dritten Börsentag nach Ablauf des Rückkaufprogramms bestätigt der Anbieter der Übernahmekommission, dass die Auflagen gemäss Rn 14-15, 18-19 und 27 eingehalten wurden.
4. Rückkaufprogramme zum Marktpreis
4.1 Zusätzliche Voraussetzungen
Das Rückkaufprogramm darf höchstens drei Jahre dauern.
4.2 Zusätzliche Auflagen
Bezieht sich das Rückkaufprogramm auf mehrere Kategorien von Beteiligungspapieren, muss der Anbieter gleichzeitig für jede Kategorie einen Geldkurs stellen.
Art. 123 Abs. 1 lit. c FinfraV regelt, dass „der Umfang der Rückkäufe pro Tag 25 Prozent des Tagesvolumens nicht übersteigt, das während dreissig Tagen vor der Veröffentlichung des Rückkaufprogramms auf der ordentlichen Handelslinie durchschnittlich gehandelt wurde“.
Das durchschnittlich gehandelte Tagesvolumen gemäss Rn 23 berechnet sich aus der Summe der Transaktionen auf der ordentlichen Handelslinie an der Börse im Auftragsbuch sowie an der Börse ausserhalb des Auftragsbuches, geteilt durch die Anzahl Handelstage während der dreissig Kalendertage vor Publikation des Inserates.
Der Anbieter bestätigt zuhanden der Übernahmekommission, dass die Auflagen gemäss Rn 15 und 27 eingehalten wurden.
Die Bank oder der Effektenhändler, die bzw. der mit der Durchführung des Rückkaufprogramms beauftragt wurde, bestätigt zuhanden der Übernahmekommission, dass die Auflagen gemäss Rn 14 und 22-23a eingehalten wurden.
Die Bestätigungen gemäss Rn 24 und 25 müssen spätestens am dritten Börsentag nach Ablauf des Rückkaufprogramms abgegeben werden, mindestens aber einmal pro Jahr.
5. Veröffentlichung der Transaktionen
Der Anbieter veröffentlicht während eines Rückkaufprogramms auf seiner Website spätestens am fünften Börsentag nach der Vornahme:
- die Käufe eigener Beteiligungspapiere innerhalb des Rückkaufprogramms, ungeachtet dessen, ob sie auf der ordentlichen oder auf einer separaten Handelslinie erfolgen;
- die Käufe eigener Beteiligungspapiere ausserhalb des Rückkaufprogramms;
- die Verkäufe eigener Beteiligungspapiere, welche nicht ausschliesslich zur Erfüllung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen erfolgen.
Diese Informationen sind mindestens während zwölf Monaten nach Abschluss des Rückkaufprogramms auf der Webseite des Anbieters abrufbar.
Die Veröffentlichung erfolgt für jedes Beteiligungspapier (identifiziert mit Ticker und ISIN) separat und enthält folgende Angaben:
- Transaktionsart (vgl. Rn 27);
- Datum;
- Anzahl Beteiligungspapiere;
- Preis, ohne Zusatzkosten wie Gebühren, Kommissionen etc.;
- Handelsplatz, falls mehr als ein Handelsplatz vorhanden ist.
Alternativ zur Veröffentlichung jeder einzelnen Transaktion gemäss Rn 28 können die Transaktionen für jeden Börsentag aggregiert pro Transaktionsart (vgl. Rn 27) veröffentlicht werden. Als Preis ist in diesem Fall der volumengewichtete Durchschnittskurs (VWAP) der Transaktionen sowie der höchste und tiefste Preis, zu dem die Transaktionen getätigt wurden, anzugeben.
Zudem ist die aktuelle Gesamtzahl der bisher innerhalb und ausserhalb des Rückkaufprogramms erworbenen bzw. veräusserten Beteiligungspapiere (absolute Zahl und Prozent) anzugeben. Die Angabe in Prozent richtet sich nach der Bezugsgrösse (Kapital oder Stimmrechte), welche auch Grundlage für die Berechnung gemäss Rn 11 bildet.
Der Anbieter gibt im Rückkaufinserat (Rn 40) die genaue Internetadresse an, auf welcher die Veröffentlichung der Transaktionen erfolgt.
6. Verfahren
6.1 Meldeverfahren
Sofern das Rückkaufprogramm den Voraussetzungen und Auflagen gemäss den Kapiteln 1 bis 4 entspricht, findet das Meldeverfahren Anwendung.
Der Anbieter gibt das Rückkaufprogramm mindestens fünf Börsentage vor der geplanten Publikation des Rückkaufinserats in den elektronischen Medien mit dem Formular „Meldung eines Rückkaufprogramms" der Übernahmekommission bekannt. Dem Formular ist ein Entwurf des Textes des Rückkaufinserats beizulegen, je auf Deutsch und Französisch.
Erscheinen die Voraussetzungen einer Freistellung im Meldeverfahren erfüllt, so bestätigt das Sekretariat der Übernahmekommission innerhalb von drei Börsentagen nach Eingang dieser Dokumente dass es vom Rückkaufprogramm Kenntnis genommen hat und dass keine Verfügung der Übernahmekommission erforderlich ist.
Für die Prüfung eines Rückkaufprogramms im Meldeverfahren ist eine Gebühr zu entrichten. Diese beträgt 0.5 Promille des Gesamtbetrags des Angebots, höchstens aber CHF 20'000.
6.2 Verfügung der Übernahmekommission
Über Rückkaufprogramme, die nicht im Meldeverfahren (Kap. 6.1) freigestellt sind, entscheidet die Übernahmekommission mit Verfügung.
In diesem Fall hat der Anbieter ein Gesuch zu unterbreiten, welches das Formular der Übernahmekommission „Meldung eines Rückkaufprogramms“ ergänzt. Er begründet insbesondere diejenigen Punkte, die von den Bestimmungen des vorliegenden Rundschreibens abweichen. Das Gesuch ist der Übernahmekommission mindestens 20 Börsentage vor der Lancierung des Rückkaufprogramms einzureichen.
Die Übernahmekommission kann von den Voraussetzungen und Auflagen dieses Rundschreibens abweichen. Falls notwendig unterstellt sie das Rückkaufprogramm ganz oder teilweise den ordentlichen Bestimmungen für öffentliche Kaufangebote.
Das Rückkaufprogramm kann erst nach einer Frist von zehn Börsentagen nach der Veröffentlichung der Verfügung lanciert werden.
Kapitel 12 der UEV ist anwendbar. Die Gebühr bestimmt sich nach Art. 118 Abs. 1 und 2 FinfraV.
6.3 Inhalt und Veröffentlichung des Rückkaufinserats
Der Mindestinhalt des Rückkaufinserats wird im Formular „Meldung eines Rückkaufprogramms" der Übernahmekommission geregelt. Die Übernahmekommission kann zusätzliche Informationen verlangen.
Das Rückkaufinserat ist gemäss Art. 6 und 7 UEV zu veröffentlichen.
6.4 Änderung des Rückkaufprogramms
Jede Änderung des Rückkaufprogramms, eingeschlossen die Änderung des Zwecks, ist bei der Übernahmekommission mit begründetem Gesuch zu beantragen. Die Änderung kann im Meldeverfahren geprüft werden, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. In den übrigen Fällen entscheidet die Übernahmekommission.
Nach erfolgter Prüfung ist ein Rückkaufinserat gemäss Art. 6 und 7 UEV zu publizieren.
6.5 Ende des Rückkaufprogramms
Am ersten Börsentag nach dem Ende des Rückkaufprogramms publiziert der Anbieter auf seiner Website die Anzahl der zurückgekauften Beteiligungspapiere jeder Kategorie und meldet dies der Börse und der Übernahmekommission und mindestens zwei Informationsdienstleistern. Die Übernahmekommission gibt diese Meldung auf ihrer Website wieder.
6.6 Übergangsbestimmungen
Dieses Rundschreiben ersetzt das UEK-Rundschreiben Nr.1: Rückkaufprogramme vom 7. März 2013.
Für alle laufenden Rückkaufprogramme sind die Transaktionsmeldungen gemäss Kapitel 5 des Rundschreibens Nr. 1 vom 7 März 2013 (anhand des Formular „Transaktionsmeldungen während Rückkaufprogrammen“) spätestens ab dem 1. September 2013 durch die Veröffentlichung gemäss Rn 27 bis 30 zu ersetzen.
Praxis zu UEK-Rundschreiben Nr. 1, Rn 7
Entwicklung der Praxis der UEK betreffend Prüfung von Art. 659 OR
Geltende Praxis: Keine Prüfung der Einhaltung von Art. 659 OR
Die Gesellschaft hat ihr Rückkaufprogramm so auszugestalten, dass die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen und insbesondere die Vorgaben von Art. 659 Abs. 1 OR eingehalten werden. Eine diesbezügliche Überprüfung bleibt jedoch dem Zivilrichter vorbehalten. Es obliegt den verantwortlichen Organen der Gesellschaft, dies zu gewährleisten. Die UEK weist lediglich auf die Pflicht zur Einhaltung von Art. 659 Abs. 1 OR hin (Rückkehr zur Praxis vor 2009).
Frühere Praxis 2009: Nichteinhaltung von Art. 659 OR als offensichtliche Verletzung von Gesellschaftsrecht
In Abweichung von der Praxis vor 2009 war die UEK neu der Auffassung, dass die 10%-Schwelle in Art. 659 OR grundsätzlich nicht überschritten werden dürfe, da eine Überschreitung derselben offensichtlich das Gesellschaftsrecht verletze. Sie betrachtete Art. 659 OR als fundamentale Norm des Aktienrechts zum Schutz der Gläubiger, deren Einhaltung von ihr im Rahmen der Freistellung von Aktienrückkäufen zu prüfen sei. Eine Überschreitung der 10%-Schwelle sei ausnahmsweise dann zulässig, wenn der Rückkauf ausschliesslich zum Zweck der Kapitalherabsetzung erfolge und Schutzmassnahmen analog zum Kapitalherabsetzungsverfahren nach Art. 732 ff. OR eingehalten wurden.
Frühere Praxis vor 2009: Freistellung der UEK gilt nicht für Art. 659 OR
Unter dem vor 2009 geltenden Recht hielt die UEK fest, dass die Schwelle von Art. 659 Abs. 1 OR vom übernahmerechtlich relevanten Volumen von 10% des Kapitals oder der Stimmrechte gemäss Ziff. III.1.1 der UEK-Mitteilung Nr. 1vom 28. März 2000 zu unterscheiden sei. Eine Freistellung der UEK bezog sich nur auf letztere, übernahmerechtliche Schwelle, weshalb die Gesellschaften ihre Rückkäufe unabhängig davon so auszugestalten hatten, dass die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen eingehalten waren.
2. Höchstbestand gemäss Art. 659 OR
[4] Nach Art. 659 Abs. 1 OR darf eine Gesellschaft eigene Aktien nur dann erwerben, wenn frei verwendbares Eigenkapital in der Höhe der dafür nötigen Mittel vorhanden ist und der gesamte Nennwert dieser Aktien 10 Prozent des Aktienkapitals nicht überschreitet.
[5] Diese Vorschrift ist nicht börsen-, sondern gesellschaftsrechtlicher Natur. Die Übernahmekommission greift im Rahmen der Prüfung von Angeboten jedoch auch bei einer Verletzung von Gesellschaftsrecht ein, wenn die Verletzung offensichtlich ist (ausdrücklich vorgesehen ist eine solche Prüfung gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen mit beschränkter Kognition in Art. 37 UEV für Abwehrmassnahmen. Nach dieser Bestimmung sind Abwehrmassnahmen unzulässig, wenn sie „offensichtlich das Gesellschaftsrecht verletzen". Eine solche Verletzung wurde etwa bejaht in der Empfehlung V vom 23. August 2005 in Sachen Saia-Burgess Elecronics Holding AG, Erw. 1.3.1). Gemäss Praxis der Übernahmekommission liegt eine offensichtliche Verletzung des Ge-sellschaftsrechts vor, wenn "die Verletzung des formellen oder materiellen Gesellschaftsrechts qualifizierter Art und aufgrund einer summarischen Prüfung relativ leicht erkennbar" ist (vgl. Empfehlung V vom 23. August 2005 in Sachen Saia-Burgess Elecronics Holding AG, Erw. 1.3.2).
[6] Art. 659 OR ist grundsätzlich auch auf Rückkäufe zum Zweck einer Kapitalherabsetzung anwendbar. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut des Gesetzes. Dieser unterscheidet nicht zwischen dem Erwerb eigener Aktien im Allgemeinen und demjenigen zum Zweck der Kapitalherabsetzung. Eine Ausnahme wird in der Lehre für den Fall gemacht, dass bei einem Rückkauf die Vorschriften von Art. 732 ff. OR eingehalten werden (BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 3. Auflage 2004, § 4 Rn 232: „Zur Vernichtung erworbene eigene Aktien [zählen] nicht mit, wenn die Kapi-talherabsetzung mindestens im Grundsatz beschlossen ist und die Regeln ihres Verfahrens eingehalten werden. Dieser Erwerb fällt nicht unter den in Art. 659 Abs. 1 geregelten Tatbestand, sondern ist eine Teilhandlung im Kapitalherabsetzungsverfahren. An die Stelle des Schutzkonzeptes von Art. 659 tritt jenes von Art. 732 ff."; vgl. auch FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, § 53 Rn 108). Nach dieser Auffassung dürfen die Schwellen von Art. 659 OR nur (aber immerhin) überschritten werden, wenn das Schutzkonzept von Art. 732 ff. OR bereits greift.
[7] Art. 659 OR ist eine fundamentale Norm des Aktienrechts zum Schutz der Gläubiger. Der Rückkauf eigener Aktien durch eine Gesellschaft entspricht wirtschaftlich betrachtet einer Kapitalherabsetzung, welche - nach Schweizerischem Recht - formellen und restriktiven Voraussetzungen zu genügen hat. Die Übernahmekommission ist der Auffassung, dass die 10%-Schwelle in Art. 659 OR grundsätzlich nicht überschritten werden darf, da eine Überschreitung derselben offensichtlich Gesellschaftsrecht verletzt. Sie prüft die Einhaltung dieser Vorschrift im Rahmen der Freistellung von Aktienrückkäufen. In Anlehnung an die Lehre ist jedoch eine Überschreitung der 10% Schwelle dann tolerierbar, wenn vor dieser Überschreitung folgende Verfahrensschritte erfolgt sind: Durch einen Revisionsbericht ist festzustellen, dass die Forderungen der Gläubiger trotz Herabsetzung des Aktienkapitals voll gedeckt sind (vgl. Art. 732 Abs. 2 OR); die General-versammlung hat gestützt auf diesen Bericht im Grundsatz die Kapitalherabsetzung zu beschliessen; ein dreimaliger Schuldenruf ist im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) zu veröffentlichen (vgl. Art. 733 OR) und nach dem dritten Schuldenruf müssen zwei Monate vergangen sein, wobei angemeldete Forderungen befriedigt oder sichergestellt sein müssen (vgl. Art. 733 f. OR). Dieses Verfahren und damit eine Überschreitung der 10%-Schwelle ist folglich nur dann zulässig, wenn der Rückkauf ausschliesslich zum Zweck der Kapitalherabsetzung erfolgt. Mit dem von der Generalversammlung gefassten Grundsatzbeschluss zur Vernichtung der zurückgekauften Aktien ist davon auszugehen, dass diese schliesslich effektiv vernichtet werden. Bei Rückkäufen zu anderen Zwecken ist Art. 659 OR in jedem Fall einzuhalten.
[8] Vorliegend hält Partners Group bereits 7.86% eigene Aktien. Das geplante Rückkaufprogramm über maximal 10% führt daher dazu, dass die 10%-Schwelle eigener Aktien gemäss Art. 659 OR überschritten werden kann. Die Gesuchstellerin schlägt folgendes Vorgehen vor, um Art. 659 OR einzuhalten: Zunächst soll in einem Grundsatzbeschluss der Generalversammlung vom 30. April 2009 die maximale Kapitalherabsetzung festgelegt werden. Dies geschieht gestützt auf einen besonderen Revisionsbericht, in welchem die KPMG als zugelassene Revisionsexpertin bestätigt, dass die Forderungen der Gläubiger trotz Herabsetzung des Aktienkapitals im geplanten Maximalbetrag hypothetisch gedeckt sind. Zeitnah nach dem Beschluss der Generalversamm-lung vom 30. April 2009 publiziert der Verwaltungsrat das Rückkaufprogramm und veröffentlicht den Schuldenruf dreimal im SHAB. Partners Group darf mit dem Rückkaufprogramm nach Publikation des Angebotsinserates beginnen, wird aber (unter Berücksichtigung bereits gehalte-ner eigener Aktien) die Schwelle von 10% eigener Aktien erst nach Ablauf der Frist von zwei Monaten nach der dritten Veröffentlichung des Schuldenrufes überschreiten. An der ordentlichen Generalversammlung 2010 wird schliesslich beschlossen, die im Rahmen des Aktienrückkaufprogramms (d.h. über die zweite Handelslinie) gekauften Aktien zu vernichten (Durchfüh-rungsbeschluss über den effektiven [allenfalls reduzierten] Kapitalherabsetzungsbetrag) und das Kapital entsprechend herabzusetzen (Statutenänderung). Gegebenenfalls wird zu diesem Zeitpunkt erneut eine Bestätigung des Revisors bzw. ein besonderer Revisionsbericht erstellt und erneut ein Schuldenruf erfolgen. Anschliessend erfolgt die Anmeldung der Herabsetzung beim Handelsregisteramt.
[9] Partners Group führt im Entwurf des Angebotsinserats zum Zweck des Aktienrückkaufprogramms Folgendes aus: "Der Rückkauf erfolgt [...] grundsätzlich zwecks nachfolgender Vernichtung durch Kapitalherabsetzung [...]". Partners Group behält sich weiter aber vor, "sofern es das Unternehmensinteresse erfordert, unter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Übernahme- und Steuerrechts, von einer Vernichtung abzusehen." Im Entwurf der Einladung zur Generalversammlung 2009 wird hierzu ausgeführt: "Diese Aktien sind definitiv zur Vernichtung bestimmt. [...]. Der Verwaltungsrat behält sich jedoch vor, unter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Übernahme- und Steuerrechts, die angedienten Titel wieder zu veräussern. In diesem Fall findet keine Kapitalherabsetzung statt."
[10] Das von der Gesuchstellerin vorgesehene Verfahren zur Einhaltung von Art. 659 OR entspricht grundsätzlich den von der Übernahmekommission gestellten Anforderungen. Vorliegend wird als Zweck die Kapitalherabsetzung angegeben, jedoch mit dem Vorbehalt, dass dieser Zweck, unter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Übernahme- und Steuerrechts, geändert werden könnte. Dieser Vorbehalt könnte den Schluss zulassen - oder zumindest dahingehend verstanden werden - dass der Rückkauf zu verschiedenen Zwecken erfolgt, nämlich grundsätzlich zur Kapitalherabsetzung, eventuell aber auch zu einem anderen Zweck. Wie be-reits oben ausgeführt, ist die Durchführung des vorliegenden Verfahrens zur Einhaltung von Art. 659 OR nur bei Rückkäufen zur Kapitalherabsetzung möglich. Folglich ist der Vorbehalt der Zweckänderung im Angebotsinserat und in der Einladung zur Generalversammlung 2009 zu streichen. Der Übernahmekommission ist die definitive Einladung zur Generalversammlung 2009 am Tag des Versands an die Aktionäre zuzustellen. Nach erfolgter Generalversammlung ist der Übernahmekommission das entsprechende Protokoll umgehend einzureichen.
[11] Zum Entwurf des eingereichten Revisionsberichts ist Folgendes anzumerken: Da die effektive Vernichtung der zurückgekauften Aktien erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, hat die Revisionsstelle bei ihrer Prüfung von der Annahme auszugehen, dass eine Vernichtung des gesamten Rückkaufsvolumens zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgen würde. Der Revisionsbericht hat somit die Bestätigung zu enthalten, dass die Forderungen der Gläubiger gedeckt wären, falls die Vernichtung des gesamten Rückkaufvolumens zum heutigen Zeitpunkt erfolgen würde. Weiter ist im Revisionsbericht der Übersichtlichkeit halber nicht nur die Pro Forma Darstellung des Eigenkapitals, sondern eine Pro Forma Bilanz (basierend auf den Zahlen per 31. Dezember 2008) einzufügen. Die Revisionsstelle hat zudem vorgängig vom Verwaltungsrat von Partners Group eine Bestätigung einzuholen, dass seit dem Bilanzstichtag (31. Dezember 2008) des Abschlusses 2008 bis zum Erlass des Berichts keine bedeutenden Veränderungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie der Geschäftsaussichten von Partners Group eingetreten sind.
[12] Es kann somit festgehalten werden, dass das von der Gesuchstellerin geplante Vorgehen zur Einhaltung von Art. 659 OR aus übernahmerechtlicher Sicht keine offensichtliche Verletzung von Art. 659 OR beinhaltet, unter der Bedingung, dass der zum Zweck des Rückkaufs angebrachte Vorbehalt im Angebotsinserat und in der Einladung zur Generalversammlung 2009 gestrichen wird und die erforderlichen Ergänzungen im Revisionsbericht vorgenommen werden.
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